Grüner Wasserstoff aus Namibia – ein neues Kapitel deutscher Kolonialgeschichte?

In Namibia beging das deutsche Militär den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Bis heute entzieht sich die Bundesregierung der Verantwortung für diesen Genozid, und ein „Versöhnungsabkommen“ scheiterte bisher daran, dass die Nachfahren der Betroffenen nicht mit am Verhandlungstisch sitzen durften. 

Die grüne Wasserstoffstrategie der Bundesregierung und der EU rückt Namibia anders in den Fokus. Dort gewonnene regenerative Energien sollen für die Produktion von Wasserstoff genutzt werden, der dann nach Europa exportiert werden soll. Seitdem entfalten die deutsche Bundesregierung und Unternehmen dort Aktivitäten, die neokoloniale Züge tragen. So hat das „namibische“ Unternehmen Hyphen, an dem das deutsche Unternehmen Enertrag gemeinsam mit einem britischen Partner die Mehrheitsbeteiligung hält, den Zuschlag für ein Mammutprojekt bekommen, gegen das sich aus historischen, demokratiepolitischen, ökologischen und sozialen Gründen Widerstand regt. Es soll auf Land entstehen, das vor dem Genozid den Nama gehörte und auf dem sich heute ein einzigartiges Naturschutzgebiet befindet. Der Hafen der nahegelegenen Kleinstadt Lüderitz soll dafür massiv ausgebaut werden, was Shark Island bedroht, den Gedenkort an das erste Konzentrationslager unter deutscher Kolonialherrschaft. Die Verhandlungen über das Projekt liefen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Beteiligung der Betroffenen. Bedenken hinsichtlich weitreichender Umweltauswirkungen werden ignoriert, eine Risikoanalyse existiert bis heute nicht.

Die beiden namibischen Aktivisten Paul Thomas (Nama Traditional Leaders Association) und Tjipura Unaune Tjipura (Social and Economic Justice Trust) werden ihre Kritik an dem Projekt vorstellen und gemeinsam mit uns diskutieren.

Paul Thomas ist Sprecher der Nama Traditional Leaders Association (NTLA). Die NTLA ist die Dachorganisation der traditionellen Führungen des Nama-Volkes in Namibia. Sie vertritt deren Interessen weltweit und setzt sich vor allem für wiedergutmachende Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Nama durch das Deutsche Kaiserreich ein.

Tjipura Unaune Tjipura arbeitet für die namibische Organisation Economic Social Justice Trust (ESJT) und beschäftigt sich eingehend mit dem Hyphen Projekt. Der ESJT wurde von einer Gruppe von Aktivist:innen gegründet, die sich für umfassende wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit in Namibia einsetzen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Rechte wirtschaftlich und sozial ausgegrenzter Namibier und einer gerechten Verteilung der Ressourcen im Land.

AR